Aggressivität bei einer bipolaren Störung ist keine Seltenheit. Hier erfährt man, was die Ursachen sind und was man dagegen machen kann.
Die Wut Coaches:
Dipl. Ing. Katrin Hoster
Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof
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Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof
Eine bipolare Störung ist eine psychische Erkrankung. Sie ist durch wiederkehrende manische und depressive Episoden gekennzeichnet (Anderson et al., 2012). Die manische Episode geht dabei mit einer gehobenen, expansiven oder gereizten Stimmung einher. Während dieser Episode verlieren manische Personen oft ihre soziale Hemmung. Außerdem haben viele eine übertriebene Selbsteinschätzung. Sie wechseln häufiger die Aktivitäten oder zeigen rücksichtsloses Verhalten. Die depressive Episode ist gekennzeichnet durch depressive Verstimmung, Interessenverlust und Antriebsminderung. Es kann auch zu einem Verlust des Selbstwertgefühls kommen. Einige Betroffene erleben unangemessene Schuldgefühle. Andere erleben Schlafstörungen. Es kann zu wiederkehrenden Gedanken an den Tod oder Suizidalität kommen (Bauer et al., 2013). Diese extremen Schwankungen können das Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigen.
Ein Merkmal bipolarer Störungen - insbesondere in der manischen Phase - ist eine erhöhte Neigung zu impulsivem Verhalten. Dieses Verhalten kann auch Aggressionen beinhalten (Najt et al., 2007). Vor allem in akuten oder psychotischen Phasen kommt es vermehrt zu Wut und Aggression (Ballester et al., 2012). Aggressives Verhalten kann verschiedene Formen annehmen. Das reicht von verbaler Aggression und Wutausbrüchen bis hin zu körperlicher Gewalt. Bei bipolaren Störungen richten sich die Aggressionen häufig gegen sich selbst, wodurch das Risiko für Suizidalität steigt (Drachman et al., 2022).
Wichtig! Wenn Sie sich in einer akuten Krise befinden, wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt/Ärztin, Psychotherapeuten/Psychotherapeutin oder an die nächste psychiatrische Klinik. In Notfällen wählen Sie die Notrufnummer 112. Die Telefonseelsorge erreichen Sie rund um die Uhr und gebührenfrei unter 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222.
Es ist wichtig, zu verstehen, wie bipolare Störungen und Aggression zusammenwirken. Nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen kann beeinflusst werden. Auch das Risiko von Konflikten und Schwierigkeiten im sozialen Umfeld ist erhöht (Ballester et al., 2012). In diesem Artikel werden wir daher die Beziehung zwischen bipolarer Störung und Aggression näher beleuchten. Wir wollen ihre Ursachen untersuchen und mögliche Umgangsformen aufzeigen.
Es gibt verschiedene Ursachen, die zu Aggressionen bei Menschen mit bipolarer Störung führen können. Eine Ursache können genetische Faktoren sein (Látalová, 2009). Wenn ein bestimmtes Gen verändert ist, kann es zu einer Dysregulation der Serotoninaktivität kommen. Insbesondere die impulsive Aggression wird mit einer Störunge der zentralen Serotoninaktivität in Verbindung gebracht (Látalová, 2009; Siever, 2009). Des Weiteren weisen Personen mit einer bipolaren Störung häufig schlechtere exekutive Funktionen auf. Speziell die Inhibitionsfähigkeit, mit der z.B. Handlungsimpulse unterdrückt werden, ist reduziert (Mur et al., 2007). Bei psychiatrischen Patient/innen allgemein ist die exekutive Dysfunktion ein Prädiktor für aggressives Verhalten (Serper et al., 2008). Diese Beeinträchtigung der Impulskontrolle sowie die zuvor genannten neuropsychologischen Komponenten können eine Prädisposition erzeugen. Diese grundsätzliche Vulnerabilität kann dann zusammen mit dem Stress, der durch die manische Episode ausgelöst wird, zu erhöhter Aggressivität führen (Látalová, 2009).
Gerade in Episoden mit extremer Stimmung (Manie, Depression), können vermehrt Aggressionen auftreten (Ballester et al., 2012). Es wird vermutet, dass die Stimmung einen Einfluss auf die Selbsteinschätzung und das Erinnerungsvermögen hat. Gerade wenn vermehrt Aggressionen auftreten, wird eine erhöhte aggressive Selbsteinschätzung angenommen (Ballester et al., 2012). Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass bei zusätzlichen psychotischen Symptomen ein erhöhtes Aggressionsrisiko besteht (Ballester et al., 2012).
In akuten Krisen können Sie sich an Ihren Arzt/ Ihre Ärztin, Ihren Psychotherapeuten/ Ihre Psychotherapeutin oder an die nächste psychiatrische Klinik wenden. Außerdem können Sie in akuten Notfällen immer Hilfe über die Notrufnummer 112 anfordern. Auch die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr kostenlos erreichbar: 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222.
Um die Aggressivität bei einer bipolaren Störung zu reduzieren, muss die zugrunde liegende manische Episode behandelt werden (Swann, 1999). Dazu kann man sich an einen Psychiater oder Psychotherapeuten wenden. Sowohl eine medikamentöse Therapie als auch eine psychotherapeutische Behandlung sind indiziert (DGBS e.V. & DGPPN e.V, 2020). Im Rahmen der psychotherapeutischen Behandlung sollte eine Aggressionsbewältigung stattfinden. Im Folgenden wird auf die Therapieformen genauer eingegangen.
Während der manischen Phase der bipolaren Störung ist eine Überstimulation oft präsent. Die verordneten Medikamente zielen darauf ab, dieser Überstimulation entgegenzuwirken. Sie erzeugen eine Art Schutzbarriere. Ihr Zweck besteht darin, die Überstimulation zu kontrollieren. Damit soll die Selbstkontrolle wiederhergestellt werden (Swann, 1999). Die medikamentöse Behandlung wird von einem Psychiater oder einer Psychiaterin durchgeführt.
Der Umgang mit Aggressionen erfolgt im Rahmen der Therapie. Hier stehen die auftretende Überstimulation und die Angst vor Kontrollverlust im Mittelpunkt. Ziel ist es, die Überstimulation rechtzeitig zu erkennen. Dazu wird erarbeitet, wie sich die Überstimulierung intern und extern bei der Person äußert. Bei akuter Überstimulierung kann es hilfreich sein, Umgebungsgeräusche zu reduzieren. Außerdem ist das Aufsuchen eines sicheren und vorhersehbaren Settings zu empfehlen (Swann, 1999).
Als Angehöriger einer Person mit bipolarer Störung ist es wichtig, einen angemessenen Umgang mit der Aggressivität der Person zu finden. Gleichzeitig ist die eigene Sicherheit zu wahren. Die Priorität sollte sein, sich in potenziell gefährlichen Situationen zurückzuziehen. Es sollte ein sicherer Ort aufgesucht werden, bis sich die Situation beruhigt hat. Ein Notfallplan kann helfen, um im Falle einer Eskalation der Aggression Hilfe von außen zu erhalten. Dieser trägt ebenso zum Schutz aller Beteiligten bei.
Als Angehöriger ist es wichtig, nicht nur für Sicherheit zu sorgen, sondern auch Selbsthilfestrategien zu entwickeln. Dazu gehört das Erlernen von Deeskalationstechniken. Hier kann auch ein Deeskalationstraining oder bei Jugendlichen ein Coolness-Training helfen. Zusätzlich hilft es, eine Achtsamkeit zu entwickeln, um frühzeitig Warnsignale für drohende Aggressionen zu erkennen. Die Unterstützung durch Selbsthilfegruppen oder professionelle Hilfe ist häufig auch für Angehörige sinnvoll. Durch diese Maßnahmen können Angehörige nicht nur effektiver mit Aggressionen umgehen. Auch ihre eigene Belastung kann reduziert werden und zum Wohlbefinden aller Beteiligten beitragen.
Bei bipolaren Störungen können die extremen Stimmungen der Manie und Depression zu impulsivem und aggressivem Verhalten führen. Als Ursachen für diese Aggressionen haben wir genetische und neuropsychologische Faktoren diskutiert. Zusätzlich wurden Behandlungsmöglichkeiten wie Psychotherapie, medikamentöse Therapie und Aggressionsmanagement vorgestellt. Für Angehörige haben wir Hinweise kennengelernt, wie man sicher und effektiv mit der Aggressivität der Angehörigen umgehen kann.
Anderson, I. M., Haddad, P. M., & Scott, J. (2012). Bipolar disorder. Bmj, 345:e8508. https://doi.org/10.1136/bmj.e8508.
Ballester, J., Goldstein, T., Goldstein, B., Obreja, M., Axelson, D., Monk, K., Hickey, M., Iyengar, S., Farchione, T., Kupfer, D.J., Brent, D. and Birmaher, B. (2012), Is bipolar disorder specifically associated with aggression?. Bipolar Disorders, 14: 283-290. https://doi.org/10.1111/j.1399-5618.2012.01006.x.
Bauer, M., Pfennig, A., Schäfer, M., & Falkai, P. (2013). S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen. Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-61153-1.
DGBS e.V. und DGPPN e.V.: S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen. Langversion, 2019.
Látalová, K. (2009). Bipolar disorder and aggression. International Journal of Clinical Practice, 63(6), 889-899. https://doi.org/10.1111/j.1742-1241.2009.02001.x.
Mur, M., Portella, M. J., Martínez-Arán, A., Pifarré, J., & Vieta, E. (2007). Persistent neuropsychological deficit in euthymic bipolar patients: executive function as a core deficit. Journal of Clinical Psychiatry, 68(7), 1078-1086. https://doi.org/10.4088/jcp.v68n0715.
Najt, P., Perez, J., Sanches, M., Peluso, M. A. M., Glahn, D., & Soares, J. C. (2007). Impulsivity and bipolar disorder. European neuropsychopharmacology, 17(5), 313-320. https://doi.org/10.1016/j.euroneuro.2006.10.002.
Serper, M., Beech, D. R., Harvey, P. D., & Dill, C. (2008). Neuropsychological and symptom predictors of aggression on the psychiatric inpatient service. Journal of clinical and experimental neuropsychology, 30(6), 700–709. https://doi.org/10.1080/13803390701684554.
Siever L. J. (2008). Neurobiology of aggression and violence. The American journal of psychiatry, 165(4), 429–442. https://doi.org/10.1176/appi.ajp.2008.07111774.
Swann A. C. (1999). Treatment of aggression in patients with bipolar disorder. The Journal of clinical psychiatry, 60 Suppl 15, 25–28.
Katrin Hoster ist zertifizierte NLPlerin, Headcoach und einer der beiden Gründer der Wut Coaches. Als erfahrener Coach im Bereich Aggressionsbewältigung hat sie sich seit 2018 voll und ganz auf das Thema Wut und Aggression spezialisiert und kann auf einen großen Erfahrungsschatz mit mehreren 1000 Wut- und Aggressionsklienten zurück blicken.
Ferdinand Kirchhof ist Psychologe (M.Sc.). Er arbeitet bei den Wut Coaches als psychologischer und wissenschaftlicher Berater und seine Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Er ist der Co-Autor dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Autorin.
Kerstin Bickert ist Psychologin (B.Sc.) und Sozialpädagogin (B.A.). Sie arbeitet bei den Wut Coaches als psychologische und wissenschaftliche Beraterin und ihre Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Sie ist die Autorin dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Co-Autorin.